Entdeckungsgeschichte des Idols von Falkenstein

Juni 19, 2013 by Christine Neugebauer-Maresch No Comment

(Fortsetzung)
Es war nicht einfach, inmitten des dichten Eichenbestandes der Wälder zwischen Poysdorf und Falkenstein Grabungsflächen zu positionieren. Außerdem war der Boden durch eine klimatisch bedingte Überprägung ausgesprochen zäh und verwusch sämtliche Verfärbungen des Untergrundes, auf die man in der Archäologe angewiesen ist, um wiederverfüllte Gruben wie Pfostenlöcher oder Vorratsgruben wahrzunehmen. Lediglich durch Fundkonzentrationen konnte man annehmen, dass hier eine Grube vorhanden war. Auch die Oberfläche der Keramiken war in diesem Horizont stark angegriffen. Das ist wichtig zu wissen, gehörten die Bewohner der Befestigung doch der sogenannten „Bemaltkeramischen Kultur“ an, die die Sitte pflegte, ihre Gefäße nach dem Brand mit Erdfarben in Rot, Gelb, Weiß und auch Schwarz in vielfältigsten Mustern zu bemalen.
Und so passierte es in den ersten Grabungstagen des Jahres 1978, dass in einer derartigen seichten Position der Fußteil einer tönernen Statuette gefunden wurde. An sich keine Sensation, sind doch Idolbruchstücke in Siedlungen dieser Kultur und Zeitstufe sehr häufig zu finden. So freuten wir uns; die Objekte wurden vor Ort gereinigt, getrocknet, säuberlich mit Tusche beschriftet und verpackt. Für „Besonderheiten“ gab es auch immer eine extra Schachtel. Bald konnten wir erkennen, dass an dieser Stelle eine Grube angeschnitten worden war, die in größerer Tiefe lockere aschige Verfüllung enthielt und so ziemlich das Beste konservierte, was man sich an Bemalungen nur vorstellen konnte: Bruchstücke von Bechern und Schalen mit wenigen Millimetern Wandstärke, innen und außen mit rot-gelben Mustern verziert, manchmal auch noch geritzt. Darunter war auch ein stilisiertes kleines Köpfchen einer tönernen Plastik mit ebenfalls gelber, aber auch schwarzer Bemalung. Inmitten des Fundreichtums und auch einiger weiterer Idolbruchstücke dachte keiner mehr an den ersten unbemalten Fußteil. Wir erweiterten zur vollständigen Erfassung der Grube, indem wir eine angrenzende Fläche öffneten. Zur Dokumentation des Grubenquerschnittes ließ man entsprechend der Grabungstechnik der damaligen Zeit zwischen Suchschnitt und Erweiterungsfläche einen sog. Profilriegel stehen, der erst nach Fertigstellung beider Zonen abgebaut werden sollte. Doch das Schicksal wollte es zunächst uns nicht zu leicht machen. Gegen Ende der Grabungen begann eine starke Regenperiode, die nicht nur die Grabungen teilweise unmöglich machten, sondern sogar die Zufahrt über die Waldwege verhinderte. So musste im August planmäßig mit der nächsten Grabung in Hohenau an der March begonnen werden, ohne dass die Grabungen im Wald endgültig abgeschlossen waren. Rund 2 Wochen später, als sich das Wetter beruhigt hatte, teilten wir das Grabungsteam, ich blieb auf dem hallstattzeitlichen Gräberfeld in Hohenau und mein Mann fuhr mit zwei Mitarbeitern nach Falkenstein, um die Reste fertigzustellen. Abends kamen sie vollkommen aufgeregt nach Hohenau zurück – im Zeitalter der Mobiltelefonie ist das nicht mehr vorstellbar! Mit zittrigen Händen packte mein Mann etwas aus, es passte gerade in seine großen Hände, und legte es mir mit den Worten „was sagst jetzt“ vor. „Wie, was, woher“ oder so ähnlich müssen meine Worte gewesen sein. Er begann mit der Schilderung der Fundsituation. Der besagte Profilriegel wäre es gewesen. Infolge des Zeitdrucks und der mittlerweile erfolgten Austrocknung der seichten Schichten hätten sie den Riegel an der Rändern mit Krampen und Spaten „geschlitzt“ und dann mittels Dagegendrücken auf einem bestimmten Dokumentationsniveau gekippt. Und da lag sie! Mit einer unglaublichen Farbkraft, wie sie nur im erdfeuchten Zustand vorhanden ist. Ein Torso, von den Knien bis zum Hals, also ohne Füße und ohne Kopf. Füße? Kopf? Wir haben doch einen bemalten Kopf, fiel uns ein, und Füße auch. Aber die Funde waren bereits abtransportiert und nicht akut greifbar. Wir mussten uns also bis zum Wochenende gedulden, ehe wir zurückkamen und aufgeregt die „Besonderheitenschachtel“ nach den gesuchten Stücken durchwühlten. Beim Kopf war ich mir schon vorher ziemlich sicher, und so war es auch, klick, die Bruchstellen passten! Dasselbe war dann auch beim Fuß der Fall. Und so lag sie dann vor uns, ein wahrhaft tief ergreifender Moment, war uns doch bewusst, dass es im ganzen Kulturkreis kein vollständiges und zugleich vollständig bemaltes Idol gab, unseres war einzigartig!

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Christine Neugebauer-Maresch
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